Fliesenleger bei der Arbeit. Foto: Michal Jarmoluk/pixabay.com
Momentan finden Berufsabschlussprüfungen statt. Doch wie findet man einen Beruf, die eigene Berufung? Und was kann man aus der Berufung der ersten Jünger lernen? KAB-Diözesanpräses Michael Wagner versucht, Licht ins Dunkel zu bringen.
Der folgende Text ist eine Predigt zum Evangelium Mt 4,12-23. Das Evangelium können Sie hier auf den Seiten von bibelwerk.de nachlesen (PDF-Download).
Für viele junge Menschen sind die jetzigen Tage sehr entscheidend. Denn es finden die Berufsabschlussprüfungen statt. Auch unser jüngster Sohn legte vergangen Dienstag seine mündliche Prüfung ab und hat jetzt seine Berufsausbildung abgeschlossen. Natürlich steigen da auch in mir Erinnerungen hoch und stehen vor meinem geistigen Auge da, als wären sie gestern geschehen.
Etwa jener Moment in meiner Jugend nachdem ich einen guten Freund in der Klinik besucht habe. Während ich die endlosen Flure zum Ausgang gehe, schießt es mir plötzlich durch den Kopf: Ja, ich will mit Menschen arbeiten, damit muss mein Beruf zu tun haben. Medizin erschien mir zu technisch, die Psychologie allein kommt nicht infrage, Lehrer um Gottes willen. Es muss etwas sein, dass den ganzen Menschen in den Blick nimmt. Etwas, das mit dem Sinn des Lebens zu tun hat, gerade auch wenn ich auf Krankheit und Leiden blicke. Noch bevor ich den Ausgang durschritten habe, stand mein Entschluss fest: Ich werde Theologie studieren.
In der Auseinandersetzung mit meinen Eltern, die ganz andere Vorstellungen hatten, wurde mir immer bewusster, all eure Argumente und Überlegungen sind gut gemeint und haben etwas Richtiges. Aber all euern Alternativen geht etwas ab: Sie sprechen mich nicht tief genug an. Sie entfachen kein Feuer in mir.
Aber genau dazu soll mein Beruf imstande sein, er soll in mir ein Feuer entfachen. Ein Feuer, das mich brennen lässt für seine Sache, eine Leidenschaft, die mir die Energie gibt, auch schwere Phasen im Beruf durchzuhalten. Ein Beruf, der mich antreibt, die Ärmel hochzukrempeln, um anzupacken, der mich zugreifen lässt, bei dem es mich nicht schert, wenn ich mir die Hände auch mal schmutzig mache. Einem Beruf, der mich zum Zeugen werden lässt, auf den sich andere berufen, der anspornt: Lass uns gemeinsam dieses Feuer miteinander teilen.
Genau diese verborgene glimmende Glut zu finden, dafür scheint Jesus ein feines Gespür gehabt zu haben. So geht er interessanterweise zu den Fischern. Menschen, die es gewohnt sind, miteinander zu arbeiten in Familienbetrieben, die sich zu Genossenschaften zusammenschließen.
Auch, wenn die Fischbestände des Sees Genezareth reich sind, erlangt man mit der Fischerei keinen Reichtum. Man lebt am Rande des Existenzminimums. Neben der Fischerei betrieb man noch Landwirtschaft, um finanziell über die Runden zu kommen. Jesus geht also an die Ränder, in die Provinz, hin zu denen, die gerade so über Runden kommen, die sich die Hände schmutzig machen im Schweiße ihres Angesichts.
Sebulon und Naftali, das sind die Gegenden, in denen die Menschen im Dunkeln sitzen. Hier leuchtet weder das Licht der Macht, noch glänzt hier der materielle Reichtum. Während Jakobus und Johannes das Boot ihres Vaters zum Fischen nutzen, besitzen Simon und Andreas nicht einmal ein Boot, um zu fischen. Mühselig werfen sie vom Ufer ihre Netze aus.
Jesus scheint sie in ihrer Tiefe anzusprechen, die Glut zum Feuer zu entfachen, so dass sie ihm stante pede folgen. Vielleicht war es eben jener Ruf, der sie aus der Kälte der Ärmlichkeit und dem Dunkel der Perspektivlosigkeit lockte. Es waren doch gerade die Fischer und Besitzlosen, die dafür brannten, die Gesellschaft und das Leben zu reformieren, die auch Aufstände unterstützen, wie es der jüdische Historiker Flavius Josephus berichtet.
Wenn die Lebensumstände der Fischer alles andere als romantisch waren, ist dann die Berufung durch Jesus nicht ein Happyend? Wechselten sie nicht auf die Sonnenseite: weg vom Schuften hin zum Missionieren?
Nun, die Theologie trug viel dazu bei, die geistliche Berufung zu verklären und zu überhöhen. Die mittelalterliche Theologie unterschied ganz eindeutig zwischen der „inneren“ Berufung, in den geistlichen Stand, und der „äußeren“ Berufung in den weltlichen Stand. Während sich die äußerlich Berufenen die Hände schmutzig machten und schwitzten, erschien die innere Berufung als die reine, lichterweiße saubere Lebensform. Der geistliche Stand hat saubere Hände, ein reines Gewand, eine weiße Weste. Arbeit und Beruf erscheinen dagegen bis heute wie die Schmuddelkinder, mit denen zu spielen verboten ist, weil man sich schmutzig machen könnte.
Da liegt genau der Fehler. Glaube findet nicht im sterilen Kirchenlabor statt, sondern im verkeimten Alltag. Wer Jesus wie auch immer folgt, muss sich auf den Weg nach Sebulon und Naftali machen. Der muss sich hinab ins Dunkle wagen. Den unsicheren Pfad, auf dem ich nicht selbstbewusst vorwärts marschiere, sondern vorsichtig einen Schritt nach dem anderen mache, wo ich aufmerksam schauen muss, wo sich eine gefährliche Stelle befindet, über die ich stolpern könnte.
Wer mit Menschen arbeitet, der wird sich die Hände schmutzig machen, wird ins Schwitzen kommen, egal ob geistlicher oder weltlicher Beruf. Die geistlichen Berufe stehen nicht über den anderen Berufen. Sondern wie Simon und Andreas sowie Jakob und Johannes stehen sie auf derselben Stufe mit all den anderen, die mit ihnen Fischen. Jeder tut an seiner Stelle das, was an seiner Stelle zu tun ist. Alle bilden gemeinsam das Volk, das im Dunkeln sitzt. Das Volk, das wie Johannes ausgeliefert worden war.
Das ist der Ausgangspunkt, wie es der Matthäus andeutet, der dem Ruf, allen Berufen und Berufungen gemeinsam ist: Johannes ist ausgeliefert, Jesus ist ausgeliefert, alle von Jesus Berufenen liefern sich der dunklen Finsternis aus. Deswegen macht sich Jesus auf den Weg. Der Ruf Jesu geht hinab ins Dunkle, führt durch die schmutzigen Tiefen hinab. Ohne sich der Dunkelheit, dem Schmutz, der Gefahr auszuliefern, findet sich weder Erstrahlen, Reinheit, Sicherheit noch Erlösung.
Sein Ruf gilt bis heute: Mensch, egal woher du stammst, egal was du beruflich tust, mach dich auf. Stell dich dem Dunklen, um die göttliche Glut zu finden, die das Feuer in Finsternis entfachen will, lass es brennen, um es mit anderen zu teilen. Verwandle mit deiner Berufung Sebulon und Naftali in jene Orte, die Gottes Gegenwart zum Leuchten bringen. Bezeuge hell leuchtend, damit andere sich auf dich berufen.
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