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08.02.2022

Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Fragen und Antworten

Symbolbild. Quelle: Gerd Altmann/pixabay.com

Bis zum 15.03.2022 müssen Beschäftigte in bestimmten Gesundheits- und Pflegeberufen einen Immunitätsnachweis gegen COVID-19 vorlegen, um weiterbeschäftigt zu werden. Die KAB Rechtsstelle beantwortet die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen dazu hier.

Update vom 08.02.2022: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat Medienberichten zufolge angekündigt, den Vollzug der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vorerst auszusetzen. Dies soll mithilfe von Übergangsregelungen geschehen. Demnach müssen Personen, die bis zum 15.03.2022 keinen Immunitätsnachweis vorlegen und deshalb von ihrem Arbeitgeber dem Gesundheitsamt gemeldet werden, vorerst nicht fürchten, dass das Gesundheitsamt ein Beschäftigungsverbot ausspricht. Bis zum tatsächlichen Vollzug der Impfpflicht und einem Beschäftigungsverbot des Gesundheitsamtes können Beschäftigte ohne Immunitätsnachweis weiterarbeiten (siehe Frage 1, „Was geschieht, bei Nichtvorlage des Nachweises?“, vierter Absatz). Inzwischen dringt die CDU bundesweit auf eine Aussetzung der Impfpflicht. Die weitere politische Entwicklung bleibt abzuwarten.

Der Gesetzgeber hat am 10.12.2021 die Regelung des § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) beschlossen. Danach muss der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber bis zum 15.03.2022 einen Immunitätsnachweis gegen COVID-19 vorlegen, soweit er in den dort genannten Einrichtungen (Krankenhaus, Arzt- und Zahnarztpraxen, Alten- und Pflegeheimen, ambulante Pflege etc.) beschäftigt ist. Der Nachweis der vollständigen Impfung/Genesung erfolgt durch Vorlage des Impfpasses, des digitalen Impf-Codes oder des mit Labordaten versehenen Genesenen-Nachweises (§ 20 a Abs. 2 IfSG). Wenn der Beschäftigte ein ärztliches Attest vorlegt, wonach er aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden kann, entfällt die Pflicht (§ 20 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 3 IfSG).

Uns erreichen in der Rechtsstelle hierzu aktuell eine Reihe von Anfragen.

Sowohl für die Agenturen für Arbeit als auch für Rechtsanwälte und Beratungsstellen besteht eine rechtlich ungesicherte Lage. Eine einschlägige Rechtsprechung, auf die man zurückgreifen könnte, liegt nämlich nicht vor.

Gleichwohl soll im Folgenden auf die entscheidenden Fragen eingegangen werden (Stand: Januar 2022):

1) Was geschieht bei Nichtvorlage des Nachweises?

Für Neueinstellungen ab dem 16.03.2022 gilt, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten in den oben genannten Einrichtungen ohne Vorlage eines Immunitätsnachweises nicht arbeiten lassen darf (§ 20 a Abs. 3 IfSG).

Für solche Beschäftigte, die bereits in einer der oben genannten Einrichtungen tätig sind, gilt § 20 a Abs. 2 IfSG: Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, diejenigen Beschäftigten, die ihm bis zum 15.03.2022 keinen Immunitätsnachweis vorlegen oder bei denen Zweifel an der Richtigkeit eines Nachweises bestehen, dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Dieses kontaktiert dann den Beschäftigten und kann ein Beschäftigungsverbot aussprechen, wenn der Beschäftigte trotz Aufforderung innerhalb einer angemessenen Frist keinen Nachweis vorlegt (§ 20 a Abs. 5 IfSG). „Kann“ bedeutet, dass das Gesundheitsamt eine Ermessensentscheidung im Einzelfall zu treffen hat. Ob das zuständige Gesundheitsamt nun im Einzelfall ein Beschäftigungsverbot ausspricht oder hiervon beispielsweise in einer Pflegeeinrichtung wegen einer angespannten Personalsituation absieht, ist ungewiss.

Mitarbeiter können sich nicht darauf verlassen, dass das Gesundheitsamt im konkreten Einzelfall von einem Beschäftigungsverbot absieht. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Anordnung vom Gesundheitsamt haben auch keine aufschiebende Wirkung (§ 20 a Abs. 6 IfSG).

Der Arbeitgeber kann solche Mitarbeiter, die keinen Immunitätsnachweis vorlegen, zunächst über den 15.03.2022 hinaus bis zur Entscheidung des Gesundheitsamtes weiter beschäftigen. Erst wenn ein Beschäftigungsverbot seitens des Gesundheitsamtes erteilt worden ist, droht nämlich ein Bußgeld gem. § 73 Abs. 1 a Nr. 7 f IfSG. Die Frage, ob der Arbeitgeber die Entscheidung des Gesundheitsamtes abwarten muss oder ob er die Mitarbeiter bereits ab dem 16.03.2022 unbezahlt freistellen darf, ist rechtlich nicht geklärt. Arbeitnehmer, die schon ab dem 16.03.2022 unbezahlt freigestellt werden, ist deshalb zu empfehlen, dass Sie ihre Arbeit gegenüber dem Arbeitsgeber nochmals ausdrücklich schriftlich anbieten und offene Lohnansprüche klageweise geltend machen. 

2) Lohnansprüche trotz Beschäftigungsverbot?

In der Gesetzesbegründung zu § 20 a IfSG steht, dass der Arbeitgeber keinen Arbeitslohn schuldet. Es steht dort wörtlich: „Im Ergebnis entfällt für diesen Personenkreis die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers (§ 326 Absatz 1 BGB, § 326 Absatz 2, §§ 615 und § 616 BGB sind nicht einschlägig). Weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen können im Einzelfall in Betracht kommen“.

Eine Ausnahme kann sich dann ergeben, wenn es Ausweichmöglichkeiten gibt. So wenn der Arbeitnehmer etwa in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens beschäftigt werden kann, der nicht unter eine der in § 20 a IfSG genannten Einrichtung fällt und auf den sich damit die Nachweispflicht nicht erstreckt. Eine Ausweichmöglichkeit ist auch das Homeoffice. Auch eine Versetzung ins Homeoffice lässt die Nachweispflicht also entfallen. Soweit aber solche Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen, dürfte der Arbeitgeber keinen Arbeitslohn schulden, wenn er den Arbeitnehmer somit nicht beschäftigen kann.

In der Literatur wird gleichwohl diskutiert, ob der Arbeitgeber in solchen Fällen nicht doch den Arbeitslohn schuldet. Gemäß § 615 Satz 3 BGB trägt der Arbeitgeber nämlich das Risiko des Arbeitsausfalls (sog. Betriebsrisiko). Dies setzt voraus, dass keine der beiden Parteien des Arbeitsvertrages die Nichterbringbarkeit der Arbeitsleistung zu verantworten hat. Hier gibt es nun Stimmen, die die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer ja nach dem Gesetz zu einer Impfung nicht verpflichtet sei. Man könne ihm mit Rücksicht auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht vorhalten, sich nicht impfen zu lassen. Nach dieser Auffassung hat der Arbeitnehmer den Arbeitsausfall also nicht zu verantworten und der Arbeitgeber muss ihm den Arbeitslohn weiterhin bezahlen. Es handelt sich hierbei aber sicherlich um eine Mindermeinung. Gerade im Hinblick auf die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 20 a IfSG ist davon auszugehen, dass ein mit einem solchen Fall befasstes Arbeitsgericht eine Zahlungspflicht des Arbeitgebers ablehnen wird.

Arbeitnehmer, die nach Erteilung eines Beschäftigungsverbots nicht beschäftigt werden können, werden abzuwägen haben, ob sie gegenüber ihrem Arbeitgeber Lohnansprüche geltend machen. Eventuell sind hier auch Ausschlussfristen zu beachten. Die Arbeitnehmer können sich aber keineswegs darauf verlassen, dass ein Arbeitsgericht ihnen hier Lohnansprüche zuspricht. Auch wenn die Rechtslage zu der vorliegenden Frage noch nicht abschließend geklärt ist, spricht sehr viel dafür, dass die Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Fortzahlung des Arbeitslohns haben.

3) Kann mir gekündigt werden?

In der Gesetzesbegründung zu § 20 a IfSG steht: „Weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen können im Einzelfall in Betracht kommen“. Zu den arbeitsrechtlichen Konsequenzen, die hier angedeutet werden, zählen vor allem eine Kündigung und eine Abmahnung.

Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt entschieden, dass der Arbeitgeber keine sinnentleerten Beschäftigungsverhältnisse fortführen muss. So darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auch kündigen, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft keine Arbeitsleistung mehr erbringen kann. Die gemäß § 20 a IfSG geforderte Nachweispflicht gilt allerdings nur befristet, sie endet nach dem derzeitigen Gesetzesstand zum 01.01.2023. Es sprechen daher gute Gründe dafür, dass eine Kündigung wegen Nichterbringung der Nachweispflicht einer gerichtlichen Nachprüfung nicht standhalten würde. Eine Kündigung ist immer das letzte Mittel. Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer -wie oben dargelegt- auch keinen Lohn. So gesehen stellt eine Fortführung des (ruhenden) Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber auch keine schwerwiegende Belastung dar.

Auch eine Abmahnung dürfte nicht gerechtfertigt sein. Eine solche verlangt ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers. Ein solches wird aber zu verneinen sein, weil der Arbeitnehmer nach dem Gesetz zur Impfung nicht verpflichtet ist.

Auch hier gilt aber, dass eine gesicherte Rechtsauskunft nicht möglich ist, weil eine Rechtsprechung hierzu nicht vorliegt.

Wenn der Arbeitnehmer eine Abmahnung erhält, dann wäre zu überlegen, ob er hiergegen im Wege einer Klage beim Arbeitsgericht vorgeht. Gleiches gilt für den Fall, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt. Die dreiwöchige Klagefrist ist hier zu beachten!

4) Bekomme ich Arbeitslosengeld?

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld kann auch bestehen, wenn ein Arbeitsverhältnis zwar rein rechtlich fortbesteht, der Arbeitnehmer in dem konkreten Arbeitsverhältnis aber keine Arbeitsleistung mehr erbringen kann. Die Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis also ruht, weil der Arbeitnehmer keinen Immunitätsnachweis erbringt, bedeutet nicht, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ausscheidet. Der leistungsrechtliche Begriff der Beschäftigung in § 138 SGB III stellt nicht auf die rechtlichen Verhältnisse, sondern auf die tatsächliche Tätigkeit ab. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld dürfte also im Grundsatz bestehen.

Zu beachten ist hier aber § 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 SGB III. Danach kann die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit von zwölf Wochen verhängen, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit aufgegeben hat.

Es ist zu erwarten, dass die Agentur für Arbeit in solchen Fällen eine Sperrzeit von zwölf Wochen verhängt. Die Agentur für Arbeit wird ihre Entscheidung wohl damit begründen, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, eine Arbeitslosigkeit zu umgehen, indem er das Impfangebot nutzt und dass eine solche Impfung auch zumutbar ist. Härtefälle der Personen, die wegen einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können, nimmt § 20a Abs. 1 Satz 2 IfSG ohnehin aus.

Arbeitnehmer, die den geforderten Immunitätsnachweis nicht erbringen, sollten bei der Agentur für Arbeit den Antrag auf Arbeitslosengeld stellen. Sie sollten sich dort frühzeitig arbeitssuchend melden, da auch wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 6 SGB III eine Sperrzeit verhängt werden kann.  

Auch hierzu liegt bislang keine Rechtsprechung seitens der Sozialgerichte vor. Gegen Ablehnungsbescheide der Agentur für Arbeit sollten die Arbeitnehmer im Wege eines Widerspruchs und einer Klage zum Sozialgericht vorgehen. Der Ausgang solcher Verfahren bleibt aber ungewiss.  

Anton Bauer, Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) und Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Rechtsstelle der KAB München und Freising

Quellen und weitere Informationen

Fragenkatalog „Testung/Impfung wegen Covid19“

Die KAB Münster hat zusammen mit der DiAG MAV im Bistum Münster und billeb health care consult einen ausführlichen Fragenkatalog zur Testung und zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht erstellt.

Hier geht es zum Fragenkatalog auf der Website der DiAG MAV Bistum Münster (PDF-Download unten im Artikel).

Fragenkatalog des Bundesgesundheitsministeriums

Auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit finden Sie eine ausführliche Fragen- und Antwortenliste zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht und ihrer Begründung. Dort gibt es auch genaue Informationen, in welchen Einrichtungen und Unternehmen die Impfpflicht gilt und in welchen nicht.

Zur PDF-Datei auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit.

Infektionsschutzgesetz im Internet

Regelungen des § 20a IfSG im Wortlaut:
https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__20a.html



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