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Teil 4: 40 Jahre „Octogesima adveniens“ (14. Mai 1971)

Die Gleichberechtigung der Frau:
„In vielen Ländern dringt man bereits stark darauf,...durch gesetzliche Bestimmung jede ungerechtfertigte Benachteiligung der Frau gegenüber dem anderen Geschlecht aufzuheben und ihr die volle, ihrer Würde entsprechende Gleichberechtigung einzuräumen. ...Was dies angeht, müssen die künftig zu erlassenen Gesetze darauf achten, das, was der Frau durch ihre physische Konstit-ution als ihre besondere Aufgabe vorgegeben ist, zu schützen, zugleich aber ihre Unabhängigkeit als Person und ihre Gleichberechtigung im kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Leben anzuerkennen.“ (OA13)
Für viele Menschen ist es vielleicht überraschend, dass schon vor 40 Jahren Papst Paul VI. den Erlass von Gesetzen zugunsten der Unabhängigkeit und Gleichberechtigung der Frau befürwortet. Bezeichnend und bedauerlich ist allerdings, dass diese Gleichberechtigung nach Aussage des Papstes nur im kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Leben anzuerkennen ist – der kirchliche Bereich bleibt ausgespart. Die Verlautbarung der Römischen Bischofsweltsynode „Gerechtigkeit in der Welt“, die im gleichen Jahr einige Zeit später veröffentlicht wurde, ging da einen Schritt weiter. Darin heißt es: „Desgleichen fordern wir für die Frauen den ihnen gebührenden Anteil an der Verantwortung und überhaupt am öffentlichen Leben, nicht zuletzt in der Kirche.“ (Ziff. 43)

Die Mitbestimmung in Staat und Gesellschaft:
„Der Übertritt (aus dem Bereich der Wirtschaft) in die Politik ist ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr der heutige Mensch nach mehr Mitverantwortung und Mitentscheidung verlangt. Je höher die Kultur steht, je stärker der Sinn für Freiheit wird, und je mehr der Mensch zu der Einsicht kommt, wie schwerwiegend die unter den Ungewissheitsbedingungen von heute getroffenen Entscheidungen sich auf die Lebensbedingungen der Zukunft auswirken können, um so dringender wird dieses berechtigte Verlangen.“ (Ziff. 47)
Papst Paul VI. erinnert daran, dass sich die Mitverantwortung und Mitbestimmung der Menschen nicht auf den Bereich der Wirtschaft beschränken lässt, sondern zu Recht auch den gesellschaftlichen und staatlichen Raum umfassen muss. Trotz der vermehrten Komplexität der anstehenden politischen Entscheidungen und der Abhängigkeit von unberechenbaren Zufallsfaktoren spricht er sich für „dem heutigen Leben angepasste Formen einer echten Volksherrschaft“, die dazu ermutigen sollen, „dass immer mehr Menschen an der Vorbereitung von Entscheidungen, an den Entscheidungen selbst und an deren Ausführung beteiligt werden.“ Wie hochaktuell und wegweisend diese Aussage ist, erlebten und erleben wir in diesen letzten Monaten bei der Ausführung von konkreten politischen Projekten, wie Stuttgart 21 oder die 3. Startbahn des Münchner Flughafens.

Der Einsatz der Christen in der sozialen Frage:
Es genügt nicht, allgemeine Grundsätze dem Gedächtnis der Menschen einzuhämmern, gute Vorsätze zu beteuern, schreiende Ungerechtigkeiten anzuprangern, mit prophetischem Freimut Strafgerichte anzukündigen. Alles das bedeutet nichts, wenn damit nicht verbunden ist das Ernstnehmen der eigenen Verantwortung und ein entsprechend entschlossenes Handeln.“ (Ziff. 48)
Im abschließenden Teil seines Schreibens ruft uns der Papst in Erinnerung, dass die Kirche in der sozialen Frage stets eine doppelte Aufgabe erfüllt: Einerseits die Verkündigung der Frohbotschaft als Orientierung für die Menschen und andererseits der tatkräftige Dienst am Menschen. Dem Papst ist bewusst, dass allein das Verkünden von allgemeinen Prinzipien und das Anprangern von schreienden Ungerechtigkeiten nicht genügt, sondern dass es auf das entschlossene Handeln letztlich ankommt. Im KAB-Grundsatzprogramm heißt es sogar: „Für die KAB ist Gerechtigkeitshandeln wesentlicher Bestandteil der Glaubensverkündigung.“ Zu diesem konkreten Gerechtigkeitshandeln ermahnt und ermutigt Paul VI. „alle Glieder der christlichen Familie“, denn: Christsein bedeutet sozial und politisch handeln!

Charles Borg-Manché, KAB-Diözesan- und Landespräses



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