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Teil 3: 50 Jahre „Mater et magistra“ (15. Mai 1961)

Verteilungsgerechtigkeit als Maßstab wirtschaftlichen Wohlstands:
„Der wirtschaftliche Wohlstand eines Volkes ist weniger zu bemessen nach der äußeren Fülle von Gütern, über die seine Glieder verfügen, als vielmehr nach ihrer gerechten Verteilung, so dass alle im Lande etwas davon für die Entfaltung und Vervollkommnung ihrer Persönlichkeit erhalten; denn das ist das Ziel, auf das die Volkswirtschaft ihrer Natur nach hingeordnet ist.“ (MM 74)
Im Absatz davor (Ziff. 73) betont Papst Johannes XXIII., dass „dem wirtschaftlichen Fortschritt der soziale Fortschritt entsprechen und folgen muss, so dass alle Bevölkerungskreise am wachsenden Reichtum der Nation entsprechend beteiligt werden.“ Daraus folgt für ihn, dass der wirtschaftliche Wohlstand eines Landes nicht im angehäuften Gesamtvermögen des Volkes besteht, sondern vielmehr in der gerechten Verteilung dieses Reichtums. Die Verteilungsgerechtigkeit war schon immer zu Recht wesentlicher Bestandteil der Katholischen Soziallehre und sie ist es noch. Doch leider scheint sie heute in Politik und Wirtschaft, aber auch in jüngsten bischöflichen Impulspapieren wenig bis keine Bedeutung mehr zu haben. Es wird eher von Chancengerechtigkeit, von Leistungs- und Beteiligungsgerechtigkeit gesprochen. Dabei wird die schlichte Tatsache verschwiegen, dass ohne ausreichende materielle Mittel – also ohne Verteilungsgerechtigkeit – die Teilhabechancen benachteiligter Menschen und bedürftiger Familien so gut wie nicht vorhanden sind. 

Ziel und Aufgabe der Steuerpolitik:
„Was die Besteuerung angeht, so kommt es unter der Rücksicht von Gerechtigkeit und Billigkeit vor allem darauf an, die Lasten entsprechend der unterschiedlichen Steuerkraft der Bürger zu verteilen.“ (MM 132)
Diese schlichte Aussage des Papstes ist heute noch brennend aktuell. Das zeigt sich am ständig wiederkehrenden öffentlichen Gerede von Steuersenkungen aus dem Kreis der Regierungsparteien – was sehr häufig irreführend ist. Denn alle bisherigen „Reformkonzepte“ und Vorschläge zu Steuersenkungen begünstigen letzten Endes in erster Linie oder ausschließlich die Reichen und Besserverdiendenden. Ziel der Steuerpolitik ist aber eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten zwischen Arm und Reich als entscheidender Beitrag zum sozialen Ausgleich in unserer Gesellschaft – eine wesentliche Aufgabe der Politik, die sie heute leider immer noch nicht erfüllt.

Die Gesellschaft um des Menschen Willen:
„Nach dem obersten Grundsatz dieser (katholischen Sozial-)Lehre muss der Mensch der Träger, Schöpfer und das Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen sein. Und zwar der Mensch, sofern er von Natur aus auf Mit-Sein angelegt und zugleich zu einer höheren Ordnung berufen ist, die die Natur übersteigt und diese zugleich überwindet.“ (MM 219)
Hier macht Johannes XXIII. ganz deutlich, dass der Mensch aufgrund seiner unantastbaren Würde im Mittelpunkt allen gesellschaftlichen Lebens steht und stehen muss – dass also die Gesellschaft und alle ihre Institutionen um des Menschen Willen da sind, und nicht umgekehrt. In der italienischen Originalfassung heißt es richtiger Weise: Der Mensch ist Träger, Schöpfer und Ziel gesellschaftlichen Lebens und er muss es folglich auch sein. Dazu schrieb Prof. v. Nell-Breuning vor 30 Jahren: „Jeder Mensch soll als das, was er ist, auch geachtet und behandelt werden; das geschieht bekanntlich nicht mit Notwendigkeit, sondern dagegen kann verstoßen werden und wird tatsächlich in größtem Ausmaß verstoßen.“ Diese Beurteilung trifft heute leider noch zu – wie an den ungerechten, menschenunwürdigen Entwicklungen der letzten Jahre in der Arbeitsmarkt-, Bildungs-, Gesundheits-, Renten- und Wirtschaftspolitik unseres Landes unschwer zu erkennen ist.

Charles Borg-Manché, KAB-Diözesan- und Landespräses



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