Der Tarifvertrag Altenpflege hätte den Beruf wieder „für mehr Menschen erfüllend und aushaltbar“ machen können, so die Bundeskommission der Katholischen Betriebsseelsorge. Die Ablehnung der Caritas offenbare eine fatale Logik. Hier die Stellungnahme im Originaltext.
Altenpfleger*innen sind, nicht erst seit Corona, in Ihrer verantwortungsvollen Arbeit oft überlastet und unterbezahlt. Um die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege zu verbessern, wurde die Allgemeinverbindlichkeitserklärung tarifvertraglicher Regelungen in der Altenpflege bereits im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung festgeschrieben.
Als Betriebsseelsorger*innen sehen wir, wie insbesondere Privatisierung der Pflegedienste und -einrichtungen und die Gewinnorientierung der "Pflegekonzerne" die Situation der Beschäftigten zusätzlich verschärft haben – Personalreduzierung und Ausbeutung der Beschäftigten sind wesentliche Grundlage dieses Geschäftsmodells. Fragwürdig ist zudem, warum 30 Jahre nach der Wiedervereinigung Pflege in Ostdeutschland weniger wert sein soll als im Westen. Die Sozialethiker*innen der katholischen Fakultäten haben diese Fehlentwicklungen zu Recht kritisiert und als unvereinbar mit der katholischen Sozialverkündung herausgestellt.
Mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung tarifvertraglicher Regelungen in der Altenpflege kann die Gewinnmaximierung zu Lasten der Altenpfleger*innen und ihre Ungleichbehandlung wirksam beschränkt werden. Das hätte auch ein Anfang sein können, den Beruf wieder für mehr Menschen erfüllend und aushaltbar zu machen. Zugleich hätten diese Verbesserungen auch echte Anerkennung für die Leistungen dieser "systemrelevanten" Berufsgruppe bedeutet.
Vor diesem Hintergrund sind wir bestürzt über die dienstgeberseitig zu verantwortende Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas, durch Nichtzustimmung einen bundeseinheitlichen Tarifvertrag Altenpflege verhindert zu haben.
Die Kirchen haben es über Ihre Sozialverbände Diakonie und Caritas maßgeblich in der Hand, die Grundwerte ihrer eigenen Sozialverkündung dort umsetzen, wo sie selbst als Akteure auf dem Markt für Pflege unterwegs sind. Versagen die Kirchen hier und kapitulieren vor den Versuchungen von wirtschaftlicher Macht und Gewinnstreben, stellen sie selbst Ihre Glaubwürdigkeit in der Arbeitswelt und ihre Relevanz für die Gesellschaft insgesamt in Frage. Die aktuelle Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas offenbart eine fatale Logik: Betriebswirtschaftliche Interessen haben offensichtlich Vorrang vor der katholischen Soziallehre und ihrer unbedingten Forderung nach Tarifautonomie. Genau die umgekehrte Reihenfolge ist dem kirchlichen Selbstverständnis angemessen und für künftige Entscheidungen sicherzustellen.
Wir Betriebsseelsorger*innen haben den kirchlichen Auftrag, in der Gesellschaft und insbesondere in der Arbeitswelt Fehlentwicklungen entgegenzutreten, gerade weil unsere Botschaft von Menschenwürde, Gerechtigkeit und Solidarität für die Menschen in der Arbeitswelt überlebenswichtig ist. Der massive Verstoß gegen die Grundsätze der katholischen Soziallehre im konkreten Handeln der Kirchlichen Sozialverbände schadet den Beschäftigten in der Altenpflege und untergräbt die Bemühungen und die Glaubwürdigkeit der gesamten Kirche.
"Die Würde des Menschen und das Gemeingut gelten mehr als das Wohlbefinden einiger, die nicht auf ihre Privilegien verzichten wollen. Wenn jene Werte bedroht sind, muss eine prophetische Stimme erhoben werden" (Evangelii gaudium 2013, 218).
Diese Forderung des Papstes gilt selbstverständlich auch für die Caritas.
Für die Bundeskommission der Betriebsseelsorge
Christian Bindl Richard Wittmann
Christian Gojowczyk Dr. Manfred Böhm
Ablehnung TV Caritas März 2021.pdf
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