Bereits wenige Wochen nach dem Beschluss der Mindestlohnkommission vom 30.06. haben Arbeitsminister Heil und Vizekanzler Scholz einen höheren Mindestlohn gefordert. Gerade jetzt kann die Petition der KAB weitere Veränderung bewirken.
http://www.kab.de/mindestlohn-petition
Von Christian Ziegltrum
Er werde nach der Bundestagswahl 2021 keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem eine Vereinbarung über zwölf Euro Mindestlohn fehle. Das ließ Olaf Scholz, Vizekanzler und frisch gekürter Kanzlerkandidat der SPD, die Presse vor wenigen Tagen wissen. Arbeitsminister Hubertus Heil hatte sich Ende Juli ganz ähnlich geäußert. Er wolle zunächst die Empfehlung der Mindestlohnkommission umsetzten, also eine stufenweise Anhebung des Mindestlohns auf 10,45 Euro bis zum Jahr 2022. „Aber mir reicht das nicht aus“, so Heil. „Ich werde Vorschläge machen, wie wir schneller die Marke von 12 Euro pro Stunde als Lohnuntergrenze erreichen können.“
Beide Vorstöße sind aus Sicht der KAB sehr zu begrüßen, sie gehen in die richtige Richtung. Dennoch, die Höhe und auch die Geschwindigkeit sind deutlich ausbaufähig. "Von Wahlversprechen und Vertröstungen können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die heute nur 9,35 Euro brutto pro Stunde nach Hause bringen, trotz Vollzeitarbeit keine Familie ernähren," so das deutliche Statement des KAB-Bundesvorsitzenden Andreas Luttmer-Bensmann. "Armut und Altersarmut trotz Vollzeitarbeit darf es in einem Land wie Deutschland nicht geben."
Die KAB will eine Anhebung auf 13,69 Euro – sofort. Die nächste Bundestagswahl oder die kleinen Erhöhungsschrittchen der Mindestlohnkommission in den nächsten knapp zwei Jahren sollten nicht abgewartet werden. Auch, um Wertschätzung für „systemrelevante“ Tätigkeiten zu zeigen: "Eine deutliche Anhebung wäre jetzt das richtige Signal für jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Niedriglohnbereich während des Lockdowns die gesellschaftlich notwendige Arbeit unter erschwerten Bedingungen leisten mussten", erklärt Luttmer-Bensmann. So etwa Verkäufer*innen, Paketboten oder Reinigungskräfte in Kliniken.
Aus Sicht der KAB liegt die Untergrenze für einen fairen Mindestlohn in Deutschland bei 13,69 Euro brutto pro Stunde. Dies entspricht 60 Prozent des Brutto-Durchschnittseinkommens von vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer*innen im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich. Denn der Mindestlohn muss ausreichen, um den Lebensunterhalt ohne Gang zum Sozialamt zu bestreiten und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu sichern. Er soll auch die Altersarmut mildern, indem er eine Rente oberhalb der Grundsicherung ermöglicht.
Fünf Jahre nach seiner Einführung erfreut sich der Mindestlohn breiter gesellschaftlicher Akzeptanz. Eine Umfrage des DGB im Juni 2020 zeigte, dass 78 Prozent der Deutschen eine Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde befürworten. Selbst Anhänger der FDP unterstützen dies demnach mit einer knappen Mehrheit von 54 Prozent. Ende 2019 wurden aus der CDU Stimmen laut, die Mindestlohnkommission zu reformieren und ihr durch eine neue Geschäftsordnung mehr Freiheiten in der Bemessungsgrundlage zu geben. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert 12 Euro, ebenso die Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Der Paritätische Wohlfahrtsverband nennt schon länger 12,63 Euro, der VdK legt sich auf 13 Euro fest.
Die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen für eine deutliche Anhebung des Mindestlohns sind also mehr als günstig. Mit einem guten Ergebnis der Petition kann die KAB den politischen Prozess beschleunigen und mit der Forderung „13,69 Euro“ auch die Höhe positiv beeinflussen. Noch in diesem Jahr soll nach den Worten von Bundesarbeitsminister Heil das Mindestlohn-Gesetz überprüft werden.
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