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29.05.2020

Pfingstmeditation: Sprachlos und verwirrt, machtvoll und orientiert.

Gott verwirrt uns oft genug. Er wirbelt Rollenmuster und Denkweisen durcheinander, stellt Lebensmodelle in Frage. So öffnet er uns neue Horizonte. Leben heißt Veränderung. Haben wir das Vertrauen, uns dem Geist Gottes zu öffnen? Von KAB-Diözesanpräses Michael Wagner.

Es gibt biblische Texte, die befremden. Etwa wenn vom Propheten Jesaja erzählt wird, dass er drei Jahre lang nackt umherläuft, um die Menschen auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Was für ein Affront! Ein nackt umherlaufender Prophet, das befremdet noch heute Theologen. Zumindest, so wollen sie wissen, sei er mit einem Lendenschurz bekleidet gewesen.

Gott scheint Spaß daran zu haben, Menschen in Erstaunen zu versetzen, zu verwundern, zu verwirren. Hierhinter steckt System. Denn wenn ich verwundert oder verwirrt bin, dann lugt der Ansatz von Veränderung hervor. Verwirrung will, dass ich mich neu orientiere. Meinen Blick neu ausrichte, ihn auf andere Dimensionen hinlenke. Gott verwirrt, um Dinge zu ermöglichen, die ich bisher für unmöglich gehalten habe.

Das tut Jesus auch in seinen Gleichnissen. Sie werfen Fragen auf, anstatt Antworten zu geben. Drachmen suchende Frauen, korrupte Verwalter und skrupellose Richter, sie erklärt Jesus zu Vorbildern. Das Kleine wird Groß, die Jünger sollen wie Kinder werden, der Erste der letzte sein, die Kraft Gottes ist in den Schwachen mächtig. Der Geist Gottes verwirrt, indem er bestehende Rollenmuster, traditionelle Werte und Denkweisen gründlich durcheinander wirbelt. Der Geist Gottes, der Menschen bewegen will, erweist sich selber als äußerst beweglich. Er kommt und geht überraschend, ist machtvoll und unfassbar, schafft dabei Leben, zerstört und ermöglicht wieder neu, reißt heraus und befreit. Gottes Geist ist agil, beweglich und kraftvoll, dynamisch.

Für Gott bedeutet Leben Veränderung: Glaube ist eigentlich verwunderlich, paradox und subversiv, rebellisch. Zugleich enthält dieser Geist eine ganz eigene Qualität. Der Geist ist Zeichen von Liebe, Barmherzigkeit, Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe.

Pfingsten ist die Gegengeschichte zum Turmbau von Babel, der menschliche Geist zeigt sich hier als Gegenbild. Eigensinn, Egoismus und Größenwahn zeichnet menschliches Handeln aus. Der menschliche Kleingeist verbaut Begegnung, stört Beziehungen. Der Geist Gottes dagegen öffnet den Raum, hilft dem Menschen heraus aus seiner begrenzten Enge.

Gottes Geist ist kein gefangener Löwe, den ich gezähmt und dressiert in der Manege vorführen kann. Gott wirkt völlig frei, dabei fragt er niemanden nach Risiken und Nebenwirkungen, auch wenn der Mensch das gerne hätte. Auf Gottes Geist einlassen heißt, sich nicht verwundern lassen, Überraschungen schließt er nicht aus. Erfahrungen werden widerlegt, Lebensbilder können zerbrechen, Dinge werden auf den Kopf gestellt. Nein wirklich, Gottes Geist lässt sich nicht bändigen. Vielmehr durchkreuzt er mein Leben so, wie er es will. So frei ist er nun einmal.

Wer vertraut und sich diesen Geist Gottes zumutet, wer sich befreit aus vorgefertigtem Denken, Deutungsmuster aufbricht, hebt verborgene Chancen ans Tageslicht, entdeckt völlig neue Facetten, ungeahnte Möglichkeiten, die das Leben bietet. Wer vertraut und sich diesen Geist Gottes zumutet, dem schenkt er Fantasie, der entdeckt Lebenskraft, eine Dynamik, die ihn antreibt. Gottes Geist kritisch, verändernd, gar mit subversiver Kraft: Er macht auch nach über 2000 Jahren nicht halt vor meinem Herzen. Verwirrend führt er mich aus der Sprachlosigkeit. Hilft mir nicht mehr über Probleme zu schwadronieren, die eh nur neue Probleme erzeugen. Sondern über Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren, um mögliche Lösungen für ein Leben in Fülle zu ermöglichen.

Gottes Geist schenkt mir unzählige Gaben und Talente, Kreativität und Abwehrkräfte.
Gottes Geist weitet meinen Blick, damit ich das Naheliegende sehe.
Gottes Geist öffnet mir die Ohren, damit ich auf gute Ideen höre.
Gottes Geist stärkt meine Schritte, damit ich seinen Weg gehen mag.

Gottes Geist ist mitten unter uns und mitten in mir. Lasse ich ihn frei, ist er nicht mehr zu bändigen. Öffnen wir ihm den Raum, damit er seine lebensschaffende Kraft entfalten kann?



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